Sonntag, 21. September 2014

Sonntags lesenswert 8

Das lavendelzimmer

Zu meiner verteidigung muss ich hier erst anführen, warum ich überhaupt ein buch lese, dass gerade auf platz 3 der spiegelbestsellerliste zu finden ist, das hässlichste cover der welt hat und zu allem übel auch noch so einen schlimmen, kitschigen titel. Meine mutter hat mir dieses buch geschenkt und das nur aus einem einzigen grund: es kommt eine frau darin vor, die "manon" heisst. Das reicht für meine mutter. Und für mich auch. Wenn man so einen namen hat, hat man es nicht immer unbedingt leicht, vor allem nicht als kleines kind. Eine tatsache, die mich neben: niemand versteht deinen namen, niemand kann ihn richtig aussprechen und er eignet sich hervorragend für dumme spitznamen, war immer: nie gibt es in urlaubsorten diese hässlichen tassen, schlüsselanhänger oder auf was man sonst noch namen schreiben kann, um touris das geld aus der tasche zu locken, etwas mit meinem namen darauf... Immer schaute ich. Bei jedem blöden stand blieb ich stehen, drehte den ständer so lange bus die namen mit "m" kamen und immer wurde ich enttäuscht. Keine manon-tasse. Nicht, dass ich unbedingt eine haben wollte. Ich wollte nur auch einmal meinen namen lesen, zwischen all den anderen. Ich wollte nur einmal dazugehören. In einer welt in einer alle fürchterlich individuell sein wollen, wollte ich einfach ganz normal sein. So normal, dass es sich lohnt, eine massenproduktion an tassen mit meinem namen anzuwerfen. Ich wollte ein produkt der masse sein. Nur einmal. Aber selbst in südfrankreich - keine chance. Nichts.
Noch heute, kann ich an diesen ständern nicht vorbeigehen ohne wenigstens einen kurzen blick zu riskieren. Sollte ich jemals irgendwo auf der welt fündig werden - ich würde sofort zuschlagen - und wenn die tasse noch so hässlich ist, ich würde sie kaufen. Mein massenprodukt.
Und wie mit den tassen, so ist es natürlich auch mit allem anderen - keine bücher, keine songs, keine filme. Nie eine manon. Ganz ganz selten. Und wenn, meistens nicht gerade ein hit.

Und nun ja, deswegen dachte ich: ach, dann lese ich das buch doch einfach, mit dem hässlichen cover und dem schrecklichen namen. Und was soll ich sagen, hinter dieser ziemlich kitschigen liebesgeschichte, hat sich doch etwas verborgen, was mir gefallen hat, was mich an mich selbst erinnert. Und das war: prokrastination.

Die geschichte handelt von einem älteren buchhändler, der allein und einsam lebt und ziemlich extrem prokrastiniert. Er hat zur unterstüzung der prokrastination die tür abgeschlossen und ein schweres bücherregal vor die tür geräumt, damit er nicht das tun muss, was er eigentlich tun sollte.  Das kenn ich nur zu gut von mir selbst - gut, ich stelle keine realen bücherregale vor verschlossene türen - aber innerlich sind diese bücherregale auch noch gerammelt voll mit dicken alten schinken. Damit ich das problem oder die herausforderung bloss nicht angehen muss.
Also dieser buchhändler zieht das nun schon eine ganze weile durch und wie der zufall es will, bringt ihn eine andere frau dazu, das regal wegzuschieben, die tür aufzuschliessen und die sache zu erledigen. Dafür har er zwanzig jahre gebraucht. Und dann stellt er fest, dass das erledigen der sache ihm freude bereitet und es gut ist und noch viel schlimmer, hätte er es gleich getan, wäre alles ganz anders gekommen und vielleicht sogar viel besser.

Gut. Das ist ja nun nicht eine bahnbrechende neue erkenntnis. Aber doch hat mir das buch gefallen. Und nicht nur, weil eine, übrigens tote, manon darin vorkam. Der buchhändler liebt bücher und das buch spielt in frankreich und es wird viel gekocht und naja, eben dann doch mal was angepackt und erledigt. Und das erinnert einen daran, dass man einfach anfangen muss und tun. Und dann stellt man fest: geht ganz leicht und ist auch noch gut.

Ich stell das buch dann jetzt mal in das bücherregal, zu den anderen alten schinken.
Und fange an zu tun, was ich schon die ganze zeit tun will, wenn ich eine tasse mit meinem namen darauf finde, oder?